Ein erfolgreicher Fachtag "inklusive Arbeitswelt"

IHK, Handwerkskammer und Bezirk Schwaben gemeinsam für eine inklusive Arbeitswelt

IHK, Handwerkskammer und Bezirk Schwaben gemeinsam für eine inklusive Arbeitswelt

Augsburg (pm). Die schwäbische Wirtschaft boomt, die Auftragslage ist gut. Aber obwohl Industrie und Handwerk aktiv um Mitarbeiter werben, profitiert eine Gruppe nur zögerlich von der guten Konjunktur: Menschen mit Behinderung im erwerbsfähigen Alter.

 

Auf das Potential, das hier brachliegt, sollte nun der Fachtag „Inklusive Arbeitswelt Schwaben“ aufmerksam machen. Mit Erfolg: Die erste gemeinsame Veranstaltung von Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer und Bezirk Schwaben zu diesem Thema erlebte mit rund 150 Teilnehmern einen überaus hohen Zuspruch.

 

Das Interesse in der Wirtschaft ist rege, zumal das Bundesteilhabegesetz, das am 1. Januar 2018 in Kraft tritt, mit einem sogenannten „Budget für Arbeit“ über die bestehenden Leistungen hinaus noch bessere Anreize für Arbeitgeber schafft, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Schwerbehinderte Menschen – nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit 7,6 Millionen in Deutschland, davon 3,3 Millionen im erwerbsfähigen Alter – sind im höheren Maße von Arbeitslosigkeit betroffen als nichtbehinderte Menschen. „Warum wird es von uns als normal empfunden, dass Behinderte schwieriger Arbeit finden?“, diese Frage stellte Dr. Michael Grandel, Vizepräsident der IHK-Regionalversammlung Augsburg-Stadt, bei der Eröffnung des Fachtages in den Raum. Und benannte selbst einige der gängigen Vorurteile: Es werde angenommen, Menschen mit Behinderung seien nicht leistungsfähig, weniger qualifiziert oder es gäbe keine geeigneten Stellen für sie – alles Fehlannahmen, die im Laufe des Fachtages ausgeräumt wurden.

 

Bei der Handwerkskammer für Schwaben sind Inklusion und Teilhabe bereits seit 2001 fest verankert, betonte Präsident Hans-Peter Rauch, „als erste Kammer in Süddeutschland haben wir mit Claudia Bröll-Ostler eine Fachberaterin eingestellt, die sich ausschließlich darum kümmert.“

 

Über 2000 Kontakte seien in dieser Zeit zustande gekommen, in den meisten Fällen habe man maßgeschneiderte Lösungen für den jeweiligen Betrieb und den behinderten Arbeitnehmer finden können. „Erfolgreiche Inklusion braucht Unternehmer, die das unterstützen – im Handwerk haben wir diese“, so Rauch, der die anwesenden Vertreter der freien Wirtschaft zur Nachahmung aufrief: „Gehen Sie mit gutem ­Beispiel voran: Es wird sich wirtschaftlich und sozial lohnen!“

 

Wie bedeutsam die Vernetzung aller Akteure ist, betonte Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert, auf dessen Initiative der Fachtag zustande kam: „Arbeitslosigkeit bei Menschen mit Behinderung bringt oft weitere gravierende Folgen mit sich, beispielsweise Einsamkeit, Depression, auch Suchtgefahr – dann ist der Bezirk Schwaben als Träger der Eingliederungshilfe besonders gefragt“, führte Reichert aus. Gäbe man dagegen den Betroffenen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Chance, so seien diese in der Regel hochmotivierte und loyale Arbeitnehmer: „Davon haben alle einen ­Gewinn.“

 

Die Aussagen der Reden wurden durch Praxisbeispiele eindrucksvoll bestätigt. So beschäftigt die Firma Arndt GmbH und Co. KG aus Erkheim (Landkreis Unterallgäu) seit zwei Jahren einen jungen Mitarbeiter mit einer geistigen Behinderung in ihrem Lager. „Florian Jilek ist immer da, zuverlässig und hochmotiviert, weil er einfach glücklich ist, dass er bei uns eine Chance bekam“, erzählt Eva Baur, die für den Innendienst und das Personal zuständig ist. Vermittelt wurde er über das Projekt „integra Mensch“ und konnte sich aus der Werkstatt heraus in dem Betrieb erproben. „Das ist für uns Personalverantwortliche enorm wichtig, dass da eine fachliche Begleitung dabei ist, dass wir Ansprechpartner bei den Institutionen, die sich um Eingliederung kümmern, haben“, verdeutlicht Eva Baur.

 

Für Georg Söffner, Geschäftsführer bei Blitzschutz Däumling in Nördlingen, war die Fachkompetenz, die ein behinderter Mitarbeiter mitbrachte, ein Erfolgsfaktor für den handwerklichen Betrieb: „Ich konnte mir in dem damals kleinen Unternehmen schlichtweg kein qualifiziertes Fachpersonal leisten – und da war aber dieser Bekannte, ein Elektroingenieur, den ein Schlaganfall aus dem Berufsleben gerissen hatte“, erzählt Söffner. Mithilfe der Unterstützung von Handwerkskammer, dem Integrationsamt und weiteren Beteiligten konnte man ihn anstellen, „aus diesem Anfang entstand eine eigene Abteilung.“

 

Auch bei einem großen Unternehmen wie der WashTec AG in Augsburg, das weltweit agiert, gehört Inklusion ganz selbstverständlich zur Unternehmenskultur. „Wir sprechen allerdings nicht von Mitarbeitern mit Behinderung, sondern von Mitarbeitern mit Besonderheiten – und die hat schließlich jeder von uns“, führte Karoline Kalb, Vorstand HR & Investor Relations, aus. Bei der WashTec AG, die heuer von der Stadt Augsburg als behindertenfreundlicher Arbeitgeber ausgezeichnet wurde, habe man seit jeher entsprechende Instrumente zum Gesundheitsschutz, Prävention und auch betrieblicher Wiedereingliederung – „und das pflegten wir auch in Phasen, als wir noch nicht so erfolgreich waren.“

„Ein Handicap sagt nichts aus über die Leistungsfähigkeit eines Menschen, wenn er einen konkreten Arbeitsplatz hat“, betont Andrea Seeger, Geschäftsführerin der ACCESS gGmbH in Nürnberg. Die Einrichtung, selbst aus der Betroffenenszene entstanden, vermittelt mit großem Erfolg Menschen mit Behinderung auf den ersten Arbeitsmarkt. Wichtig seien dafür individuelle Konzepte, eine gute Begleitung am Arbeitsplatz, auch die Möglichkeit zur kostenfreien Arbeitserprobung, um das Risiko für den Arbeitgeber zu minimieren. Und man müsse den Unternehmen vermitteln, welche Vorteile sie hätten: Nicht nur Lohnkostenzuschüsse, sondern beispielsweise die Entlastung des Fachpersonals von bestimmten Aufgaben, die ein Mensch mit Behinderung übernehmen könnte, die soziale Bereicherung, aber auch die positive Außenwirksamkeit.

 

Das Beispiel einer Branche, in der händeringend nach Personal gesucht wird, nannte Professor Dr. Michael Krupp von der Hochschule Augsburg (Logistik und Supply Chain Management). Etwa 83.000 Stellen blieben im ersten Quartal 2017 bundesweit in der Verkehrs- und Lagereibranche unbesetzt. „Logistische Prozesse lassen sich nur schwer automatisieren, hier braucht man angelernte Hilfskräfte“. Gefördert durch Bundesmittel und mit Unterstützung zahlreicher Kooperationspartner wird an der Hochschule derzeit die Bildsprache „LogiPICS“ entwickelt, mittels der Mitarbeiter mit sprachlichen Barrieren schneller in Arbeitsprozesse integriert werden können. Etwas, das künftig auch Menschen wie Florian Jilek eine wertvolle Hilfestellung sein kann – denn Schwaben ist einer der „Hot Spots“ der Logistikbranche.

 

Informativ, produktiv und vor allem ein erster großer Schritt zur Zusammenarbeit für eine „inklusive Arbeitswelt Schwaben“ – dieses Fazit zog Gertrud Kreutmayr, Leiterin der Sozialverwaltung des Bezirks zum Abschluss des Fachtages.

 

Die Organisatoren des Tages, die auch Ansprechpartner für interessierte Arbeitgeber sind – Stefan Dörle vom Bezirk Schwaben, Andrea Gärtner bei der IHK Schwaben und Claudia Bröll-Ostler, Handwerkskammer Schwaben – werden am Ball bleiben: Beispiels­weise durch die Vermittlung von Praktika, durch regionale Informationsveranstaltungen oder auch eine Internetbörse.

Die Gastgeber – Hans Peter Rauch, Präsident der Handwerkskammer für Schwaben, Dr. Michael Grandel vertrat die Industrie- und Handelskammer Schwaben und Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert – der Fachtag sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Inklusion in der Arbeitswelt. Bild: Daniel Beiter/Bezirk Schwaben